07.02.2020 | Veranstaltung ›Vom ‚Volkseigentum‘ zur Treuhand‹

Am 7. Februar 2020 hat die ver.di Mediengalerie zusammen mit der Koordination „1918 unvollendete Revolution“ zu einer Veranstaltung zur Erinnerung an 30 Jahre „Vom Volkseigentum zur Treuhand“ eingeladen.

Gemeinsames Thema natürlich die Privatisierung der DDR-Betriebe. Diskutiert wurde nach Beiträgen von Sebastian Gerhardt und Bernd Gehrke mit ihnen zum betrieblichen Widerstand in der DDR 1989/91. Die Veranstaltung hatte viele Besucher, die davon profitierten, dass die beiden Referenten selbst an den Auseinandersetzungen teilgenommen hatten und die damalige Situation hervorragend analysierten. Eine lange Debatte folgte, in der die Ambivalenz der Prozesse deutlich wurden. Mit der Währungsunion war klar, dass es keine demokratisch-sozialistische DDR mehr geben würde. Viele aktive Gewerkschafter aus der DDR hofften auf den DGB und die Brudergewerkschaften im Westen. Aber es gab eben auch viele Illusionen in die Vorteile des Kapitalismus.

Der „Herbst ’89“ fand nicht nur auf der Straße und im Fernsehen statt. In einer ganzen Reihe von Betrieben setzten sich die Belegschaften für demokratische Interessenvertretungen ein, für Betriebsräte, oder machten über Gewerkschaftsorganisationen ihren Einfluss geltend. Doch welchen Umfang, welche Formen und welche Bedeutung für die politische Gesamtentwicklung der DDR hatte der Aufbruch in den Betrieben? War es ein Aufbruch zur sozialistischen Aneignung der Betriebe durch die „unmittelbaren ProduzentInnen“, wie viele Linke hofften, oder wurde es ein „Griff nach der Notbremse“ (Walter Benjamin) – ging es darum, angesichts unübersehbarer Veränderungen wenigstens einen Fuß in die Tür zu kriegen?

Die Rahmenbedingungen der betrieblichen Konflikte änderten sich mit Währungsunion, Treuhandanstalt und Wiedervereinigung radikal. Das Gegenüber war nicht mehr die Betriebs- und Politbürokratie, sondern das Kapital und die Bundesregierung. Doch die Belegschaften und die Aktiven hatten sich noch nicht geändert.

Sie versuchten jetzt, in neuen Konflikten und vor allem im Kampf mit der Treuhandanstalt Wege zum wirtschaftlichen Überleben von Betrieben und Belegschaften zu finden. Welches Ausmaß und welche Formen hatte der Kampf gegen die Privatisierungs- und Deindustrialisierungspolitik der Treuhandanstalt? Und: Weshalb wurde dieser Kampf verloren? Gibt es Lehren, die heute wichtig sind?

„Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotive der Geschichte. Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse.“

Walter Benjamin (Aus den Notizen zu ›Über den Begriff der Geschichte‹)

Die Reden der Referenten liegen uns nicht vor, aber die Thematik wird von ihnen auch behandelt in dem Expressheft ›Ränkeschmiede DDR‹.


Fragen und Antworten an und von Sebastian Gerhardt